Das iPad als Couch-Kino

10. August 2010

Dass man auf dem iPad ganz wunderbar Bücher lesen kann, ist wohl kein Geheimnis mehr. Selbst so altmodische Leute wie ich, die jedem neu gekauften Buch mit der flachen Hand über die Seiten streichen und sich nicht gegen den olfaktorischen Zwang wehren können, ihre Nase zwischen die Seiten zu stecken, nehmen zuweilen gern ein E-Book in die (dann allerdings haptisch unterforderte) Hand. Gleichzeitig ein Fluch und ein Segen ist es dabei, stets riesige Bibliotheken und Online-Buchläden auf Abruf bereit zu haben, um sich innerhalb weniger Sekunden mit neuem Lesestoff zu versorgen. Seit das Gerät in unseren Haushalt kam, habe ich zwei E-Books darauf gelesen, und das einzige Problem, von dem ich berichten kann, ist der Ehestreit („Du spielst doch sowieso nur damit rum!“), der entstehen kann, wenn der eine seinen Truman Capote, die andere aber zur selben Zeit ihren ebenfalls auf das iPad geladenen, gerade jetzt unerträglich spannenden Lee-Child-Krimi weiterlesen will.
Die Frage, ob sich auf dem iPad auch Filme anschauen lassen, war für mich erst einmal sekundär. Auch hier bin ich altmodisch: lieber Kino als DVD, lieber Flachbildfernseher und Couch als Laptop und Schreibtischstuhl. Der verhältnismäßig kleine Bildschirm des iPad erzeugt da nicht unbedingt große Lust, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
Auf den zweiten aber schon, zumindest wenn es um aus dem Internet geladene Filme geht. Man muss nicht am unbequemen Schreibtisch sitzen, und man muss auch nicht umständlich das MacBook mit dem Fernseher verkabeln. Man kann sich gemütlich auf die Couch begeben und hält das Gerät so, wie man auch ein Buch halten würde (oder stützt es auf den angewinkelten Knien ab oder legt es seitlich auf ein Kissen). Bequemlichkeitsfaktor: hoch, kein Vergleich dazu, einen Laptop auf den Knien zu halten. Übrigens erledigt sich dabei das von den E-Books bekannte Ehestreit-Problem, weil das Filmegucken natürlich eher eine gesellige Tätigkeit ist als das Lesen. Der Bildschirm des iPad lässt es ohne weiteres zu, das Geschehen schräg von der Seite zu verfolgen. Das funktioniert auch wunderbar auf Zugfahrten. Dankenswerterweise können die Scharniere an den Ausklapptischen bei der Deutschen Bahn als iPad-Stand dienen:

iPad-Bahn.jpg

Wenn der Zug mal schwer ruckelt, kann das Gerät zwar umfallen, aber wenn man seine Brieftasche davor legt, bleibt die Konstruktion stabil, und zwar ohne, dass das Bild verdeckt würde.

Also alles toll?

Nur bedingt. Zu Testzwecken habe ich aus dem iTunes Store die Stieg-Larsson-Verfilmung „Verblendung“ geladen. Dabei zeigen sich die ersten Einschränkungen. Anders als bei Büchern dauert es nämlich sehr lange, bis der Film zur Verfügung steht, und mit „sehr lange“ meine ich „man-kann-sich-schlafen-legen-und-den-Film-dann-am-nächsten-Morgen-ansehen“-lange. Die HD-Version (4,99 Euro) ist knapp zwei Gigabyte groß und zumindest mit meiner – zugegeben, nicht sehr modernen – 2000-er DSL-Flatrate erweist sich der iTunes Store als einer der langsamsten Server der westlichen Welt. Das sollte man bedenken, falls man sich einen Film für den aktuellen Abend besorgen will.
Am nächsten Morgen, als „Verblendung“ schließlich auf dem iPad vollständig angekommen war, musste ich ihn erst noch suchen. Filme werden nämlich in der App „Videos“ gespeichert, von der ich noch nie vorher gehört hatte, deren Name für mich aber eher nach Heimvideos denn nach Hollywoodfilmen klang. Immerhin konnte eine schnelle Google-Suche verhindern, dass ich den Support anrufe.
Es folgt das zweite Problem: die aspect ratio, also das Seitenverhältnis, in dem der Film dargestellt wird. Weil das iPad kein 16:9-Format hat wie jeder moderne Fernseher, nehmen die bekannten schwarzen Balken oben und unten mehr als die Hälfte des Raumes ein. Ein neuer Film wie Verblendung, der wie die meisten Kinofilme heutzutage im Format 2.35:1 gedreht ist, sieht auf dem iPad aus wie ein Streifen Pflaster. Alte Schwarzweiß-Filme im früher üblichen 4:3-Format aber, für die das Seitenverhältnis keinen großen Verlust an FLäche bedeuten würde, gibt es im iTunes Store so gut wie gar nicht (was übrigens Problem Nummer drei darstellt: das Angebot des iTunes Store ist so wenig attraktiv wie eine herkömmliche Blockbuster-Videothek).
Man kann mit einem Fingertippen an die rechte obere Ecke das Bild heranzoomen, so dass es die ganze Fläche ausfüllt, aber dadurch wird links und rechts so viel abgeschnitten, dass man quasi nur die Hälfte des Bildes sieht. Außerdem gibt es noch eine zumindest theoretisch benutzbare Funktion für Untertitel, aber (Problem Nummer vier) sämtliche angebotenen Filme sind nur in deutscher Synchronisation zu haben.
Interessanter wird es, wenn man sich vom iTunes Store und der „Videos“-App wegbewegt, auch wenn Apple diesen gerne als einzigen Zugang zu Filmen etablieren will. Mit der App Air Video (2,39 Euro) kann man Filme vom eigenen Computer über das heimische W-Lan-Netz auf das iPad streamen. Das funktioniert sehr gut und ohne Verzögerung. So lassen sich z.B. heruntergeladene avi-Filme ansehen bzw. von einer importierten DVD hergestellte Filmdateien.
Dennoch stellt sich die Frage: Warum dann nicht gleich den Laptop an den Fernseher anschließen? Das erscheint mir noch immer als bessere, weil dem Kino zumindest ein bisschen mehr verwandte, Form des Filmesehens als das Gerät in der Hand zu halten. Diese dem Lesen ähnliche Haltung auf dem heimischen Sofa führt nämlich auch zu dem Lesen ähnlichen Verhaltensweisen: Man unterbricht häufiger und legt das iPad, wie ein Buch, beiseite, um erst später weiterzuschauen. Bei einer DVD auf dem Fernseher tue ich das nur, wenn ich von irgendetwas oder irgendwem unterbrochen werde. Der Konsum von Filmen wird also noch mehr zersplittert, die Konzentration lässt nach. Die ganze Sache wird ein wenig zum Nebenbei-Medium, wie Radio. Texte sind geduldig, als Leser gibt man selbst die Geschwindigkeit vor. Ein Film dagegen usurpiert den Faktor Zeit und bezieht ihn in seine Wirkung und Deutung ein. Andererseits: Das casual viewing, das das iPad ermöglicht, würde dazu führen, dass man sich häufiger etwas ansieht. Denn für die Verkabelung mit dem Fernseher ist man dann oft doch zu faul.
Auf Youtube eingestellte Filme, dort gibt es eine ganze Menge alter Werke, deren aspect ratio gut mit dem iPad harmoniert, sind über die vorinstallierte youtube-app ebenfalls gut ansehbar. Was aber nicht funktioniert, und damit sind wir bei dem für jeden cinephilen iPad-Besitzer schmerzlichen Problem Nummer fünf, ist das Filmportal Mubi (früher als The Auteurs bekannt). Die dort gezeigten Filme sind in Flash codiert, und Flash kann das iPad nun einmal nicht. Vor einiger Zeit hatte ich dort angefragt, ob sich das ändern wird, und bekam per E-Mail zur Antwort, dass es derzeit keine Pläne gebe, von Flash auf HTML5 umzusteigen (was die Filme iPad-kompatibel machen würde). Kürzlich gab es aber im Mubi-Forum eine Andeutung, die zumindest Hoffnung macht: „Give us another few months before we start unveiling our plans for Mubi on iPad. Good things come to those who wait..“, erklärte Firmengründer Efe Cakarel vor ungefähr vier Wochen.
Nun gut, wir warten. Bis dahin aber werde ich auf dem iPad ganz sicher mehr Bücher lesen als Filme sehen. Eheprobleme hin oder her.

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4 Antworten to “Das iPad als Couch-Kino”

  1. Stefan said

    Dass es das Filmegucken unterbricht und oftmals in den Hintergrund geraten lässt, denke ich mir, aber für Unterwegs ist es sicherlich ein hervorragender Weg Filme zu schauen, da das Noetbook hierbei doch irgendwie zu klobig ist.

    Ich weiß, es war Dir sekundär, aber nach dem Bericht würde ich mir fürs Filmegucken sicherlich kein iPad kaufen, denn dafür gibt es dann doch zu viele Nachteile. Lesen hingegen stelle ich mir aber interessant vor …

  2. tfunke said

    Wobei das Unterwegsgucken den Nachteil hat, dass man nicht mal eben eine DVD einschieben kann …
    Würde es weder nur fürs Filmegucken noch nur fürs Lesen kaufen. Das interessante an dem Gerät ist ja gerade, dass es so viele verschiedene Dinge tut auf sehr bequeme Weise. Wer aber weder viel liest (egal ob ebooks oder Webseiten) noch viel Filme sieht, sollte sich wohl erst recht kein iPad kaufen.

  3. Stefan said

    Ich bin allerdings auch skeptisch wegen der Größe. Habe jetzt seit einigen Wochen das iPhone (3) und würde es nicht mehr hergeben wollen. Damit kann man echt alles machen, fürs mobile surfen und (News) lesen reicht es auch allemal. Wenn etwas größeres, dann wohl doch lieber Netbook oder gar Notebook. Die paar mal, als ich es im Laden in der Hand hatte, war es aber ein schönes Spielzeug, keine Frage, aber mehr auch nicht. Das iPhone ist mein erstes Apple-Produkt überhaupt, also ich bin auch kein Fanboy (aber kein Flash und vor allem kein USB ist schon tödlich …).

  4. JOHN BERRY said

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